In den letzten Jahren hat sich Melatonin, ein Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert, als beliebtes Nahrungsergänzungsmittel etabliert. Besonders in Form von Gummibärchen wird es zunehmend auch Kindern verabreicht, um Schlafprobleme zu bekämpfen, dies wird besonders auf TikTok und in anderen sozialen Medien angepriesen. Doch Mediziner und Experten warnen eindringlich vor der Nutzung solcher Produkte bei Kindern. In der Europäischen Union, einschließlich Deutschlands, unterliegen Nahrungsergänzungsmittel dem Lebensmittelrecht und nicht dem Arzneimittelrecht. Dies bedeutet, dass sie zwar bestimmten Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit folgen müssen, aber weniger strengen Regelungen unterliegen als Arzneimittel. Im Gegensatz zu Arzneimitteln müssen Nahrungsergänzungsmittel keine klinischen Studien durchlaufen, um ihre Sicherheit und Wirksamkeit nachzuweisen, bevor sie auf den Markt kommen.
Basierend auf wissenschaftlichen Studien und aktuellen Warnungen gibt es gewichtige Gründe, warum Melatonin in Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder nicht bedenkenlos eingesetzt werden sollte.

1. Mangelnde Regulation und Qualitätssicherung

Nahrungsergänzungsmittel unterliegen oft weniger strengen Regulierungen als Medikamente. Dies bedeutet, dass die Qualität und Reinheit von Melatonin-Produkten variieren können. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hebt hervor, dass die auf den Verpackungen angegebene Melatoninmenge nicht immer mit dem tatsächlichen Gehalt übereinstimmt. Dies kann zu unvorhersehbaren Dosierungen führen, was besonders bei Kindern problematisch ist, da ihre Körper empfindlicher auf Wirkstoffschwankungen reagieren.

2. Unklare Langzeitwirkungen

Die langfristigen Auswirkungen von Melatonin-Einnahmen bei Kindern sind noch nicht ausreichend erforscht. Während Melatonin in klinischen Studien bei Erwachsenen relativ sicher erscheint, sind die Daten zur Anwendung bei Kindern begrenzt. Es ist unklar, wie sich eine dauerhafte Einnahme auf die Entwicklung und das hormonelle Gleichgewicht auswirkt. Einige Experten befürchten, dass eine regelmäßige externe Zufuhr von Melatonin die körpereigene Produktion des Hormons beeinträchtigen könnte.

3. Nebenwirkungen und Wechselwirkungen

Auch wenn Melatonin allgemein als sicher gilt, können Nebenwirkungen auftreten. Das BfR warnt vor möglichen unerwünschten Wirkungen wie Tagesmüdigkeit, Kopfschmerzen und Schwindel. Zudem können Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auftreten, die Kinder möglicherweise einnehmen. Dies erfordert eine genaue Überwachung durch einen Arzt, die bei der unkontrollierten Einnahme von frei verkäuflichen Nahrungsergänzungsmitteln nicht gewährleistet ist.

4. Falsche Sicherheit und Verharmlosung

Die kindgerechte Aufmachung von Melatonin-Gummibärchen suggeriert eine Harmlosigkeit, die trügerisch ist. Dr. Oliver Müller, Schlafmediziner, betont, dass solche Produkte den Eindruck erwecken könnten, dass es sich um unbedenkliche Süßigkeiten handelt. Dies führt zu einer potenziellen Überdosierung, wenn Kinder eigenständig Zugriff auf die Produkte haben. Die Verharmlosung kann Eltern dazu verleiten, die ernsthaften Auswirkungen von Melatonin zu unterschätzen und es ohne ärztliche Rücksprache zu verabreichen.

5. Alternative Maßnahmen bei Schlafproblemen

Bei Schlafproblemen von Kindern sollten zunächst nicht-medikamentöse Maßnahmen im Vordergrund stehen. Dazu gehören feste Schlafenszeiten, eine beruhigende Abendroutine und eine schlaffördernde Umgebung.

Fazit

Angesichts der bestehenden Unsicherheiten und Risiken sollten Eltern sehr vorsichtig mit dem Einsatz von Melatonin-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln bei Kindern sein. Die aktuelle Studienlage und medizinische Empfehlungen sprechen gegen den unkontrollierten Gebrauch dieser Produkte. Stattdessen sollten alternative, nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Verbesserung des Schlafs bei Kindern bevorzugt werden, um ihre Gesundheit und Entwicklung nicht zu gefährden.