Die Legalisierung läßt aktuell die Frage aufkommen: „Ist Cannabis bei Schlafstörungen eine Lösung?
Jeder kennt das. Manchmal fällt es einfach schwer abends zur Ruhe zu kommen und einzuschlafen. Wenn das ab und zu passiert, stellt das kein Problem dar. Doch wer ständig unter Schlaflosigkeit oder Durchschlafstörungen leidet, sucht sehr schnell nach einer Lösung. Denn zu wenig Schlaf führt zu Müdigkeit tagsüber, zu Leistungseinbußen und kann sogar Depressionen verursachen.
Durch die Legalisierung ist Cannabis in den Fokus gerückt. Es ist bekannt dafür, dass es müde und benommen macht, sodass viele davon ausgehen, dass es abends helfen kann, den Stress abzuschütteln und zur Ruhe zu kommen. Immerhin gilt Cannabis bei vielen Experten als weniger gefährlich als Alkohol in Bezug auf körperliche Folgeschäden und das Abhängigkeitsrisiko. Doch ist es wirklich eine gute Idee, Cannabis als Einschlaf- und Durchschlafhilfe zu verwenden? Oder ist das Risiko anderer Begleiterscheinungen wie Angstzustände, Schwindel, Übelkeit und schlimmstenfalls sogar eine Psychose zu hoch?
Wie wirken sich Cannabinoide auf den Schlaf aus?
In Studien, die bereits in den 1970er-Jahren durchgeführt wurden, hat sich gezeigt, dass die Gabe von Cannabis je nach Verabreichungsform variable Effekte in den verschiedenen Schlafphasen haben kann. Diese Studien bewerten in erster Linie die Auswirkungen von THC und Cannabis. Spezifische Daten zu den Auswirkungen von CBD fehlen hierbei. Als Verabreichungsform kommen Inhalation und orale Einnahme infrage.
Kurzfristige Anwendung
In entsprechenden Studien stellten die Forscher eine kürzere Zeit bis zum Einschlafen und eine höhere Gesamtschlafzeit fest. Zudem verringerten sich die REM-Schlafphasen und die Tiefschlafphasen erhöhten sich. Allerdings stellten die Wissenschaftler ebenfalls fest, dass die Auswirkungen auf Tiefschlaf und Gesamtschlafzeit nicht anhaltend sind.
Langfristige Anwendung
Die langfristige Verabreichung von THC hat dazu geführt, dass die Tiefschlafphase abnimmt. Möglicherweise liegt das an einer Toleranzentwicklung. Die Auswirkungen auf die REM-Schlafphasen sind unterschiedlich. In vielen Fällen hat sich auch die Einschlafzeit verlängert und die Gesamtschlafzeit reduziert.
Entzugserscheinungen
Der Cannabis-Entzug hat bei den Teilnehmern der Studie zu Schlafstörungen und lebhaften Träumen geführt. Auch die Schlafeffizienz war verringert. Bei Probanden, die zuvor Marihuana intensiv konsumiert hatten, kam es noch zu weiteren Auswirkungen, wie periodische Beinbewegungen, entzugsbedingte Schlafstörungen. Diese Auswirkungen treten meist 24 bis 72 Stunden nach dem Absetzen auf und können sechs bis sieben Wochen anhalten.
Körpereigene Cannabinoide und das Endocannabinoid-System
Cannabinoide sind mittlerweile vielen bekannt als Inhaltsstoffe der Hanfpflanze. Weniger bekannt ist, dass der menschliche Körper Botenstoffe enthält, die Endocannabinoide, die den Cannabinoiden sehr ähnlich sind.
Diese Endocannabinoide wirken über das Endocannabinoid-System auf bestimmte Rezeptoren, und regulieren auf diese Weise das zentrale Nervensystem und haben noch auf viele weitere Körpersysteme starke Auswirkungen. Die wichtigsten Rezeptoren dabei sind CB1 und CB2. An genau diesen Rezeptoren können sich Phyto-Cannabinoide von Pflanzen wie dem Hanf, beispielsweise THC oder CBD, andocken.
Die Endocannabinoide, die über die CB1-Rezeptoren wirken, fördern die Entwicklung des Gehirns und wirken schmerzhemmend in stressigen Situationen. Zudem können sie appetitfördernd sein und Angstsymptome lindern. Die CB2-Rezeptoren sind bei der Immunantwort wichtig und die Cannabinoide, die dort andocken, wirken entzündungshemmend. CBD dockt in erster Linie dort an. THC und CBD wirken über das Endocannabinoid-System wie körpereigene Endocannabinoide.
Wie wirkt sich CBD auf den Schlaf aus?
Cannabidiol, kurz CBD, hat begrenzte Auswirkungen auf den Schlaf. In Tierversuchen hat sich die Gesamtschlafdauer prozentual verlängert. Bislang gibt es noch keine Studien am Menschen, die diese Ergebnisse bestätigen. In einer neueren kontrollierten Studie zeigten die Probanden nach eigenen subjektiven Angaben eine erhöhte Schläfrigkeit nach dem Konsum von CBD-dominiertem Cannabis. Dabei ist allerdings unklar, ob die Schläfrigkeit auf den THC-Gehalt zurückzuführen ist. Die Studienergebnisse zu isolierten Effekten von CBD auf den Schlaf sind noch sehr begrenzt.
Wie wirkt sich eine Kombination aus THC und CBD auf den Schlaf aus?
In verschiedenen Studien, in deren Verlauf die Forscher den Probanden eine Kombination aus THC und CBD verabreicht haben, hat CBD eine wachmachende und THC eine sedierende Wirkung gezeigt. In höheren Dosierungen hat sich die Wirkung tendenziell ausgeglichen, wie sich in einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie gezeigt hat.
Können Cannabinoide eine therapeutische Rolle bei Schlafstörungen spielen?
Schlaflosigkeit ist ein weitverbreitetes Phänomen, das anerkannte gesundheitliche Folgen hat. Die Arzneimitteloptionen sind begrenzt. Oft haben die verfügbaren pharmakologischen Mittel potenziell schädliche Nebenwirkungen. Deshalb ist es sinnvoll und notwendig, weitere therapeutische Ansätze zu untersuchen.
Cannabinoide werden historisch als Schlafmittel eingesetzt, weil sie eine angstlösende Wirkung haben. Die beiden Cannabinoide CBD und THC wirken sich auf die verschiedenen Schlafphasen unterschiedlich aus. In einigen Studien konnten Forscher zeigen, dass ihr Einsatz die Schlaflosigkeit verringert hat. In den meisten Studien waren die Ergebnisse allerdings gemischt. Die dosisabhängigen Effekte sind schwer zu bewerten, was die Anwendbarkeit stark begrenzt. Nachfolgend ein paar Beispiele:
- In Tiermodellen hat sich der prozentuale Gesamtschlafanteil nach mittleren bis hohen Dosen erhöht.
In hoher Dosierung kam es zu einer Zunahme der REM-Schlaflatenz, also der Zeit vom Einschlafen bis zum ersten REM-Schlaf, während eine mittlere Dosierung die REM-Schlaflatenz verringert hat. - In einer Stude mit CBD zeigten sich positive Effekte bei der Unterdrückung des REM-Schlafs durch Angstzustände.
Die Gabe von THC allein hat die Zeit bis zum Einschlafen verkürzt, bei langfristiger Anwendung allerdings auch die Gesamtschlafzeit vermindert. - Es gibt immer mehr Hinweise, dass sich Schlaflosigkeitssymptome aufgrund einer chronischen Erkrankung durch Cannabis verbessern, beispielsweise bei Fibromyalgie.
Ist Cannabis bei Schlafstörungen nun eine Lösung?
Die meisten Studienergebnisse, die die Auswirkungen von Cannabis und Cannabinoiden auf den Schlaf zeigen, sind begrenzt. Sie hängen von der Stichprobengröße, dem Studiendesign, den Verfahren und den verwendeten CBD-THC-Verhältnissen ab.
Wie sich Cannabinoide auf den Schlaf und auf Schlaflosigkeit auswirken, und ob Cannabis bei Schlafstörungen nun eine Lösung sein kann, hängt nicht nur von der Dosis, sondern auch von Art und Kombination der verschiedenen Substanzen ab. Inwieweit Cannabis als Behandlungsoption bei Schlaflosigkeit in Betracht kommt, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend bewerten. Dazu fehlen noch größere kontrollierte Studien mit Menschen. Denn bislang gibt es noch nicht genügend Daten für die optimale Dosis oder die Auswirkungen auf die unterschiedlichen Schlafphasen.
Die Legalisierung von medizinischem Cannabis und cannabinoidhaltigen Produkten hat das Interesse daran angefacht. Die schlaffördernde Wirkung und der potenzielle therapeutische Nutzen bei der Behandlung von Schlafstörungen und anderen schlafbezogenen Erkrankungen wie Narkolepsie, Parasomnie, schlafbezogenen Atemstörungen und dem Restless-Leg-Syndrom. Hier steckt die Forschung allerdings noch in den Kinderschuhen.
Quellen:
Breschendorf F., „Kiffen zum Einschlafen: Wann es sinnvoll ist und wovon eine Neurologin abrät“ (09.2024), Frankfurter Rundschau, https://www.fr.de/panorama/sinnvoll-telemediziner-medizinisches-cannnabis-cannabis-kiffen-einschlafen-schlafstoerungen-zr-93198865.html (Abgerufen am 09.09.2024)