Polyphasischer Schlaf ist spätestens seit Ronaldo einer weiteren Öffentlichkeit bekannt. Es bezeichnet ein spezielles Schlafmuster, das sich stark von unserem klassischen Schlafrhythmus unterscheidet.
Was ist polyphasischer Schlaf?
8h schlafen, 16h nicht schlafen, das bestimmt in der Regel unsere 24h Struktur. Um diese Struktur herum ist unsere Gesellschaft aufgebaut, weswegen sie die meisten auch nicht hinterfragen – war schon immer so. War es aber schon immer so?
Polyphasischer Schlaf bedeutet, dass der Schlaf in mehrere, kürzere Blöcken über den gesamten Tag verteilt ist. Diese orientieren sich an einem Schlafzyklus, der neben der Einschlafphase mehrere NonREM – Tiefschlafstadien, ein REM-Schlafstadium und eine Leichtschlafphase beinhaltet. Normalerweise nehmen beim monophasischen Schlaf die Tiefschlafphasen an Intensität im Laufe der Nacht ab und die REM-Phasen an Länge zu. In der Regel dauern solche Zyklen zwischen 70 und 120 Minuten. Im Schnitt geht man von 90 Minuten aus. Beim polyphasischen Schlaf werden diese Zyklen quasi einzeln, mit längeren Unterbrechungen zu verschiedenen Zeiten innerhalb von 24h durchlaufen.
Ein Nickerchen am Tag reicht nicht aus, um bereits als polyphasisch zu gelten, da man gerade hier versucht eben nicht in den Tiefschlaf zu kommen. Bei kürzeren Schlafphasen kann es nämlich passieren, dass der Körper aus einer Tiefschlafphase gerissen wird, was Müdigkeit und lange Aufwachzeiten zur Folge haben kann. Viele kennen das Gefühl, nach einem 45- bis 60-minütigen Mittagsschlaf wie gerädert aufzuwachen.
Die Zyklen müssen also komplett durchlaufen werden.
Biphasisch (also zweiphasisch) ist eine Mischform und wird gerne von Schichtarbeitern genutzt. Dies hat gerade bei Nachtschichten den Vorteil, dass sie mehr vom Tag haben. Hier wird in der Regel 4h vor der Nachtschicht und 4h nach der Nachtschicht geschlafen.
Unsere Urahnen – schliefen die anders?
Vor der Erfindung künstlichen Lichts war es schwierig, nach Einbruch der Dunkelheit aktiv zu bleiben, wodurch Menschen gezwungen waren, dem natürlichen Wechsel von Tag und Nacht zu folgen. Historische Berichte aus der vorindustriellen Zeit legen nahe, dass Menschen oft nachts aufwachten und in mehreren Phasen schliefen. Mit dem Aufkommen elektrischer Beleuchtung etablierte sich jedoch der durchgehende Nachtschlaf, wie er heute üblich ist.
Doch der polyphasische Schlaf gewinnt zunehmend Anhänger – vor allem unter Menschen, die ihre Produktivität steigern möchten. Anders als früher ist polyphasischer Schlaf heute meist eine bewusste Entscheidung und keine Anpassung an Lebensumstände.
Welche Vorteile werden dem polyphasischen Schlaf zugeschrieben?
Polyphasischer Schlaf kann in bestimmten Situationen von Vorteil sein:
- Produktivität steigern: Theoretisch lässt sich die Gesamtschlafzeit mithilfe spezieller Schlafpläne verkürzen. Manche umstrittene Schlafpläne reduzieren den Schlaf auf nur zwei bis drei Stunden pro Tag, und behaupten, dadurch produktive Stunden zu maximieren.
- Flexibilität für Schichtarbeiter: Menschen mit unregelmäßigen Zeitplänen, wie Eltern mit Neugeborenen, Schichtarbeiter oder Vielreisende, können ihren Schlaf flexibler an individuelle Bedürfnisse anpassen und Erschöpfung vorbeugen.
- Erhöhte Wachsamkeit und Konzentration: Manche berichten von erhöhter Wachsamkeit und Konzentrationsfähigkeit, da die kürzeren Schlafphasen intensiver wirken können. Wissenschaftler vermuten, dass die verkürzten Phasen bei regelmäßiger Anwendung optimaler genutzt werden.
Polyphasischer Schlaf bietet also eine gewisse Flexibilität. Man kann damit seine Schlafzeiten genau auf seine Bedürfnisse zuschneiden und sich ganz nach Bedarf Pausen gönnen. Das kann in kreativen Berufen oder in einem flexiblen Umfeld ein großer Vorteil sein, um Erschöpfung vorzubeugen – kann!
Cristiano Ronaldo – das Vorzeige-Beispiel für das polyphasische Schlafen
Der weltberühmte Fußballspieler Cristiano Ronaldo ist einer der erfolgreichsten und athletischsten Fußballer aller Zeiten. Er hat beeindruckende Fähigkeiten auf dem Spielfeld, was nicht zuletzt auf seine akribische Pflege von Körper und Geist zurückzuführen ist. Bei seiner Gesundheits- und Leistungsstrategie sind die Schlafgewohnheiten ein zentraler Aspekt. Er praktiziert den polyphasischen Schlafansatz und verteilt seine Schlafzeiten strategisch über den Tag. Dieser wurde speziell für seine Bedürfnisse von Dr. Nick Littlehales, Berater für Spitzensportler in Sachen „Schlaf“ und Vorsitzender des UK Sleep Council, konzipiert.
Anstatt einmal lange zu schlafen, verteilt sich der Schlaf in 5 Abschnitte über den Tag, mit jeweils etwa 90 Minuten pro Zyklus. Er ergänzt seine Gesamtschlafdauer mit mehreren Powernaps von 20 bis 30 Minuten. Der Fokus liegt hier nicht auf der Quantität, sondern auf der Qualität und dem Timing der Erholung. Durch die Regelmäßigkeit der Schlafphasen kann Ronaldo seine Leistungsfähigkeit über den gesamten Tag aufrechterhalten und gleichzeitig eine schnelle Erholung nach intensiven Trainingseinheiten erreichen. Mit dieser Strategie ist er jederzeit für physische und mentale Höchstleistungen bereit. Das ist für einen Profisportler von entscheidender Bedeutung.
Dabei ist jedoch zu bedenken, dass dies speziell für seine Hochleistungsroutinen abgestimmt ist. Somit ist das nicht 1:1 auf den durchschnittlichen Bürger zu übertragen.
Wie wirkt sich das auf seine Leistungsfähigkeit aus?
Schlaf spielt eine wichtige Rolle bei der Regeneration der Muskeln, für die kognitiven Funktionen und die allgemeine körperliche Gesundheit. Ronaldo verbessert mit diesem Schlafmodell seine Reaktionszeit, seine Wachsamkeit und seine Entscheidungsfindung während des Spiels. Die häufigen, kurzen Schlafphasen fördern die schnelle Erholung, sodass der Spieler auch nach einer intensiven Trainingseinheit oder einem Spiel schnell wieder fit ist.
Aber nochmals, dies geschieht im Zusammenspiel mit weiteren leistungsfördernden Maßnahmen, die auf Ronaldo und seinen Sport zugeschnitten sind. Er legt zudem nicht nur großen Wert auf seine Schlafgewohnheiten, sondern auch auf seine körperliche Fitness und seine Ernährung. Diese Disziplin hat ihn zu einem der besten Fußballspieler der Geschichte gemacht und ist ein Beispiel dafür, wie sich Schlaf, allgemeine Gesundheit und Leistungsfähigkeit erfolgreich in Einklang bringen lassen.
Zahlreiche Studien beweisen, dass sich Schlafmangel negativ auf die sportliche Leistung auswirkt, da die Reaktionszeiten länger, die Motivation geringer und das Verletzungsrisiko höher wird.
Polyphasischer Schlaf – Was die Kritiker dazu sagen
Littlehalse ist ein Verfechter des polyphasischen Schlafs, doch es gibt auch Kritiker in den Reihen der Experten aus der Wissenschaft. Das Kernproblem sehen viele in der Kontinuität. Nicht jeder kann seinen Tag so stringent durchplanen, mit anderen Faktoren (Ernährung etc.) gezielt abstimmen und auf ein ganz konkretes Ziel ausrichten.
Durch den polyphasischen Schlaf können z.B. soziale Aktivitäten stark eingeschränkt werden, da die Nacht noch mehr zum Tag mutiert.
Oft ist das Schlafmuster auf den gesamten Tag verteilt, sodass sich Termine und soziale Verpflichtungen nur schwer unterbringen lassen. Ein festes Schlafschema in mehreren Phasen kann das Sozialleben negativ beeinflussen und sich auch auf familiäre Bindungen auswirken, besonders dann, wenn alle anderen im Umfeld dem klassischen Schlafrhythmus folgen.
Langfristige Gesundheitsauswirkungen sind bislang kaum erforscht. Viele Experten sehen eine fragmentierte Schlafstruktur kritisch, da sie oft zu einer reduzierten Gesamtschlafzeit führt. Schlafmangel kann das Immunsystem schwächen, die kognitive Leistungsfähigkeit einschränken, die Regenerationsfähigkeit beeinträchtigen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.
Den Körper an einen mehrphasigen Schlaf zu gewöhnen, kann eine große Herausforderung sein. Wir sind darauf trainiert, nachts in einem Block zu schlafen. Wer dieses Muster durchbrechen will, braucht Geduld und Disziplin. Anfangs kann es zu intensiver Müdigkeit, Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen kommen. Bei manchen Menschen dauert es Wochen, bis sie sich an den neuen Rhythmus gewöhnt haben. Zudem erfordert der polyphasische Schlaf einen strikten Zeitplan, damit er effektiv ist. Weicht man von diesem Zeitplan ab, beispielsweise durch unerwartete Verpflichtungen oder einen veränderten Tagesplan, kann dies deinen gesamten Schlafzyklus stören.
Und … Gewöhnung bedeutet auch hier nicht, dass es keine negativen Langzeitfolgen für den Körper hat.
Was sagt die Wissenschaft zum polyphasischen Schlaf?
Bislang gibt es nur begrenzte Forschungsergebnisse zum polyphasischen Schlaf. Viele Studien sind auf spezifische Bedingungen beschränkt, wie beispielsweise Experimente in Extremsituationen (z.B. Raumfahrt). Erste Hinweise deuten darauf hin, dass einige Menschen sich erfolgreich an polyphasischen Schlaf gewöhnen und davon profitieren, doch diese Anpassung verläuft individuell sehr unterschiedlich. Weitere Forschung ist notwendig, um langfristige gesundheitliche Vor- und Nachteile zu bewerten.
Abwägung der Vor- und Nachteile
Polyphasischer Schlaf hat für Menschen mit bestimmten Bedürfnissen klare Vorteile, wie erhöhte Flexibilität. Insbesondere Menschen, die unregelmäßige Arbeitszeiten haben oder sehr viel Zeit für kreative Projekte aufwenden, können mit diesem Schlafmuster unter bestimmten Bedingungen effektiver sein. Dabei ist zu bedenken, dass es im sozialen Bereich zu starken Einschränkungen kommen kann. Die langfristigen gesundheitlichen Folgen von solchen Schlafmustern sind kaum erforscht.
Zudem erfordert dieses Schlafmuster ein hohes Maß an Disziplin und Konsistenz. Wenn du dich dabei nicht an einen festen, strukturierten Plan hältst, wird es dir schwerfallen, die Vorteile zu nutzen. Gelingt es dir allerdings, eine Balance zwischen den kurzen Schlafphasen und den wachen Stunden zu finden, könnte der polyphasische Schlaf für dich ein Schlafmuster sein, dass mit einem produktiveren und erfüllteren Leben einhergeht. Dabei musst du allerdings bedenken, dass dieses Schlafmuster nicht für jeden geeignet ist. Wenn du es für dich in Betracht ziehst, solltest du sorgfältig deine Schlafphasen planen und dir der Risiken bewusst sein.
Meine Meinung
Ich zähle mich zu den Kritikern, da ich die Gesundheit und nicht die Leistungsoptimierung im Fokus habe. Ronaldo wird in 2025 vierzig Jahre, und seine Leistungen nehmen schon jetzt altersbedingt ab. Ab diesem Alter machen sich nicht selten Langzeitfolgen von Schlafproblemen bemerkbar. Es ist nicht gesagt, dass diese Ronaldo irgendwann beschäftigen werden, aber auch nicht ausgeschlossen.
Für mich selbst spricht ein Kernargument gegen die Tatsache, dass polyphasischer Schlaf unserer Natur entspricht, und das ist der Melatoninspiegel beim Schlaf. Der DLMO läutet die Müdigkeitsphase ein, die dann nach ca. 1,5-2,5h zum Einschlafen führt. Dies passiert zunächst ohne externe Impulse, rein auf genetischer Basis. Dass Licht den DLMO nach hinten verschieben kann, ist bekannt, spielt aber in diesem Fall keine Rolle.
Wäre polyphasischer Schlaf eine natürliche Gegebenheit, würde die natürliche Melatoninproduktion nach den jeweiligen 90min Zyklen sinken, um das Aufwachen zu ermöglichen. Genauso würde diese dann jeweils wieder aus Eigenantrieb steigen, wenn der nächste Zyklus ansteht. Es gäbe also mehrere DLMOs über die 24h verteilt.
Hierfür gibt es aber nirgends einen wissenschaftlichen Beleg, dass dies jemals der Fall war, auch nicht bei Naturvölkern. Sobald ich es mir also antrainieren muss, ist es kein natürlicher Prozess mehr.
Wie gesagt, kürzere Nachtschlafzeit mit über den Tag verteilten Powernaps entspricht natürlichen Gegebenheiten, polyphasischer Schlaf jedoch laut aktueller Erkenntnis nicht.
Als ChronoCoach muss man sich die Situation eines Klienten sehr genau ansehen. Es macht in meinen Augen keinen Sinn, etwas stressbehaftet zu lernen und extrem diszipliniert einzuhalten, um die Regeneration (vielleicht) um ein paar Punkte zu verbessern. Das „Mehr“ an Stress würde diesen Gewinn wieder zunichtemachen.
Daher sehe ich den polyphasischen Schlaf eher als die absolute Ausnahme an, um ein ganz konkretes Ziel zu verfolgen, welches die reine Leistungssteigerung in den Mittelpunkt stellt. Den potenziellen Risiken muss man sich bewusst sein.
Anders der biphasische Schlaf. Er stellt gerade in der Schichtarbeit eine sehr gute Möglichkeit dar, um die Auswirkungen einer ohnehin gestörten Melatoninproduktion durch einen gegenläufigen Schlaf-/Wachrhythmus zu reduzieren.
Wie siehst du das Thema, welche Erfahrung hast du mit polyphasischem Schlaf gemacht? Schreib mir gerne unter michael@wieden.com.
Michael Wieden
Hinweis
Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Originalartikel von Michael Wieden der hier zu finden ist.